Quantcast
Channel: Smarter Service
Viewing all articles
Browse latest Browse all 47

Deutschland in der KI: Zwischen Pioniergeist und Verschlafenheit – Wer schreibt die Zukunft?

$
0
0

Deutschland, das Land der Ingenieure und Denker, das Land der Maßarbeit und der Grundsatzdiskussionen – aber auch das Land, das von anderen gerne überholt wird, wenn es um digitale Zukunftstechnologien geht. Man könnte sagen, die KI-Revolution kam für Deutschland wie der Wintereinbruch: erwartet, aber schlecht vorbereitet.

Es ist ein bemerkenswerter Moment, als Wolfgang Wahlster, Pionier der Künstlichen Intelligenz, in einem Interview skizziert, dass Deutschland bei den großen KI-Modellen massiv hinterherhinkt. Die Gründe sind vielfältig: fehlende Rechenzentren, knappe Investitionen und eine Politik, die lieber Risiken reguliert, als Innovationen zu fördern. „Wir waren immer gut in der Wissenschaft, aber wirtschaftlich hätte man viel mehr draus machen können,“ bemerkt Wahlster mit einer Mischung aus Stolz und Resignation.

Die Wissenschaft: Stark, aber unterfinanziert

Im Rückblick war Deutschland durchaus ein Vorreiter. In den frühen 2000er-Jahren wurden hier Sprachsysteme entwickelt, die weltweit Beachtung fanden. Aber während andere Länder ihre Erfolge in Produkte und Plattformen überführten, zogen sich die deutschen Unternehmen aus dem Mobilfunk- und Softwarebereich zurück. „Die Besten sind heute bei Google oder Microsoft – oft Menschen, die wir hier ausgebildet haben,“ sagt Wahlster.

Große Sprachmodelle zeigen, was möglich ist: Konversationssysteme, die den Kontext erkennen, Wissen abrufen und Dialoge führen können. Aber der Aufwand ist gewaltig: „Das menschliche Gehirn arbeitet mit 20 Watt, für ein KI-System wie ChatGPT brauchen wir tausende von Euro an Stromkosten pro Minute,“ erklärt Wahlster. Es ist ein schwindelerregender Vergleich, der den technologischen Bruch aufzeigt: Die KI, so fortgeschritten sie auch sein mag, ist ein Ressourcenmonster.

Europas Problem: Vorsicht statt Vision

Europa hat sich in ethischen Fragen hervorgetan. Regulierungen wie die AIR-Direktive legen Risikoklassen für KI-Systeme fest. Wahlster sieht darin eine Chance, „seriöse, vertrauenswürdige Systeme zu entwickeln.“ Doch diese Tugendhaftigkeit hat ihren Preis: Während die USA Milliarden in die Entwicklung stecken und China durch schiere Masse glänzt, fehlt Europa der Mut zur großen Wette. Es ist ein bisschen wie ein Schachspiel, bei dem Europa jede Figur erst dreimal überprüft, bevor sie gezogen wird.

Die Renaissance der Sprachtechnologie

Bernhard Steimel, Mitinitiator der Voice Days, sieht die aktuelle Begeisterung für ChatGPT als Weckruf. „Vor 20 Jahren war Sprachtechnologie kein sexy Thema, jetzt reden plötzlich alle darüber.“ Doch er mahnt: Viele Systeme in Deutschland basieren noch auf Technologie von vor zwei Jahrzehnten. Es brauche eine „Renaissance der Sprachtechnologie“, die sich nicht nur auf Erkennung, sondern auf Dialogführung und Inhalte konzentriert. Die Idee, die Voice Days in Form der „AI Days“ wiederzubeleben, steht im Raum – ein Versuch, Deutschland zumindest in einem spezialisierten Bereich zurück ins Spiel zu bringen.

Was bleibt?

Deutschland, so scheint es, steht bei der KI an einem Scheideweg. Die Kompetenz ist da, das Wissen vorhanden, die Vergangenheit voll von Erfolgsgeschichten. Aber es fehlt der entscheidende Schritt, die Verbindung von Forschung und Markt, von Idee und Produkt. Wahlster und Steimel sind sich einig: Es braucht Kooperationen, Investitionen und Mut. „Es wird nicht reichen, die großen Modelle zu kopieren. Europa muss eigene Stärken entwickeln, etwa im Bereich der Ressourcenschonung und der Ethik,“ so Wahlster.

Oder, wie Steimel es auf den Punkt bringt: „Wir dürfen nicht länger Zuschauer sein, während andere die Spielregeln schreiben.“

Siehe auch:

The post Deutschland in der KI: Zwischen Pioniergeist und Verschlafenheit – Wer schreibt die Zukunft? appeared first on Smarter Service.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 47