Vertrieb – einst Inbegriff menschlicher Nähe, Intuition und Erfahrung – steht im digitalen Zeitalter vor einer existenziellen Herausforderung. Wie viel von dieser ursprünglichen Kunst bleibt übrig, wenn Algorithmen Prozesse optimieren und menschliche Entscheidungen ersetzen? Im Fachgespräch „Digitaler Unternehmermut“ gaben Ulf Valentin, Leiter der strategischen Geschäftsentwicklung, und Jakob Vanhoefer, Teamleiter für Künstliche Intelligenz bei Convidera, tiefgehende Einblicke in diese Zeitenwende.
Das Zeitalter der Daten: Ein Aufbruch mit Hindernissen
Die beiden Experten machten deutlich, dass Künstliche Intelligenz längst in der Lage ist, den Vertrieb nicht nur zu beschleunigen, sondern grundlegend zu verändern. Doch die Realität zeigt ein ernüchterndes Bild: Fehlende Daten, unzureichende Systematik und kulturelle Widerstände verhindern vielerorts, dass diese Technologien ihre transformative Kraft entfalten können.
„KI ist ein Werkzeug, das Türen öffnet – aber nur, wenn wir bereit sind, hindurchzugehen“, so Valentin. Damit deutete er auf die zentrale Problematik: Der Erfolg digitaler Technologien hängt nicht nur von der Technik selbst ab, sondern auch von der Fähigkeit, bestehende Strukturen und Denkweisen zu hinterfragen.
Im Gespräch skizzierten die beiden, wie Vertriebsteams durch datenbasierte Ansätze effizienter arbeiten könnten. Der Schlüssel liegt in der sogenannten „eventbasierten Verkaufsstrategie“: Kundeninteraktionen werden durch präzise Analysen antizipiert, und die Vertriebsprozesse darauf abgestimmt. Die Technik ermöglicht es, aus Daten wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen – etwa, wann Kunden bereit für neue Käufe sind oder welche Services ihnen tatsächlich Mehrwert bieten.
Die Herausforderung der Praxis
Die Theorie klingt verheißungsvoll, doch die Praxis ist geprägt von Hürden. Vanhoefer brachte es auf den Punkt: „Die größte Herausforderung ist nicht die Technik, sondern die Kultur.“ Vertriebsteams müssten lernen, ihre gewohnten Abläufe zu hinterfragen und Erfahrungswissen systematisch in Datenmodelle zu überführen.
Besonders eindrucksvoll war die Schilderung eines Projekts, in dem KI eingesetzt wurde, um Wartungsverträge gezielt zu vermarkten. Die Herausforderung lag darin, fragmentierte und oft ungenaue Daten so zu bereinigen, dass sie für die Automatisierung nutzbar wurden. Hier zeigte sich die Stärke der Technologie: Algorithmen konnten Datenbanken durchforsten, Lücken füllen und präzise Kundenprofile erstellen. Der Erfolg? Ein Umsatzpotenzial, das zuvor unvorstellbar schien.
Doch nicht alle Daten lassen sich leicht bereinigen. Die Experten schilderten, wie schwer es ist, bei unvollständigen oder veralteten Informationen präzise Ergebnisse zu erzielen. Ein systematischer Ansatz sei nötig, der Technologie mit menschlicher Expertise kombiniere.
Vertrieb im Wandel: Eine Einladung zur Reflexion
Was bleibt also vom Vertrieb im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz? Valentin und Vanhoefer waren sich einig, dass es nicht nur um Effizienzsteigerung geht, sondern um eine grundlegende Neuorientierung. KI bietet die Chance, Routineaufgaben zu automatisieren und den Menschen dort einzusetzen, wo Empathie und Kreativität gefragt sind. Doch diese Transformation verlangt Mut, Investitionen und die Bereitschaft, sich selbst zu hinterfragen.
Das Gespräch war ein Weckruf für all jene, die glauben, dass Digitalisierung allein durch den Einsatz neuer Tools gelingt. Es braucht mehr: eine klare Vision, den Willen zur Veränderung und die Fähigkeit, Technologie als Ergänzung, nicht als Ersatz menschlicher Fähigkeiten zu sehen.
Am Ende bleibt eine zentrale Frage: Wird es dem Vertrieb gelingen, seine Seele zu bewahren, während er sich radikal neu erfindet? Die Antwort darauf liegt nicht in den Algorithmen, sondern in der Haltung der Menschen, die sie nutzen.
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